AboSchweizer Chefbeamter: Die Deutschen sind die neuen Italiener
Peter Füglistaler nennt Deutschland «Sorgenkind Nummer 1» beim Bahnverkehr – ausgerechnet an einem Vortrag in Berlin.

Der Chef des Bundesamts für Verkehr wählte deutliche Worte: Die Qualität im Schienengüterverkehr über die Alpen sei schlecht, sagte Peter Füglistaler diese Woche bei einem Auftritt in der Schweizer Botschaft in Berlin. In seiner Präsentation, die dieser Zeitung vorliegt, zählt er eine ganze Liste von Mängeln auf: Technische Störungen, fehlendes Personal, Baustellen, lange Wartezeiten und so weiter. «Wir haben zwei wichtige Mitarbeiter im internationalen Schienengüterverkehr: Jemand und Niemand», steht in der Präsentation. «Jemand baut immer Mist. Und niemand ist schuld.»
Füglistaler selber ortet die Schuldigen derzeit vor allem nördlich der Schweiz: «Sorgenkind Nummer 1 ist nicht mehr Italien, sondern Deutschland», sagte er in Berlin. Er bezeichnete namentlich DB Netz und DB Cargo als Hauptproblem. Die beiden Abteilungen der deutschen Bahn sind für Infrastruktur und Güterverkehr zuständig. An Füglistalers Vortrag waren auch Vertreter des deutschen Verkehrsministeriums und der deutschen Bahn anwesend, wie die Schweizer Botschaft bestätigt.
Anders als die Schweiz habe Deutschland viele Hausaufgaben nicht gemacht, sagte Füglistaler. Und wies auch darauf hin, dass die Schweiz in den letzten Jahren Verladeterminals in Deutschland mitfinanziert hat. Auf einer Liste des Bundesamts für Verkehr stehen zwei Terminals in Duisburg und Singen.
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Die Folgen dieser Situation zeigen sich im jüngsten Bericht zum alpenquerenden Güterverkehr durch die Schweiz: Trotz boomender europäischer Wirtschaft wurden im ersten Halbjahr 2018 leicht weniger Güter auf der Schiene durch die Alpen transportiert als zum gleichen Zeitraum des Vorjahres. «Damit konnte sich das zwischen 2013 und 2017 beobachtbare Wachstum nicht fortsetzen», hält das Bundesamt für Verkehr in seinem Bericht vom September fest.
Die grösste Herausforderung bleibe die mangelhafte Qualität. Oder wie Füglistaler nun in Berlin sagte: «Beim alpenquerenden Verkehr nehmen die Verspätungen immer mehr zu». Im Mittel erreichte im ersten Halbjahr 2018 nicht einmal mehr die Hälfte aller Güterzüge ihr Ziel pünktlich (weniger als eine halbe Stunde Verspätung). Zu grossen Verspätungen (mehr als drei Stunden) kam es bei jedem vierten Zug.
Gotthard-Anschluss erst 2040 fertig
Am Vortrag anwesend war auch ein Journalist der «Deutschen Verkehrs-Zeitung». Danach konfrontierte er Hugo Gratza, Abteilungsleiter Eisenbahnen im deutschen Verkehrsministerium, mit Füglistalers Aussagen. Gemäss Gratza hinkt Deutschland den Planungen tatsächlich hinterher. Er verspricht allerdings Besserung. Doch die deutschen Anschlussstrecken für den Gotthard-Basistunnel würden erst 2040 fertig. «Da wird man schon nachdenklich», sagte Gratza zur «Deutschen Verkehrs-Zeitung» (Artikel kostenpflichtig).
Auch die deutsche Bahn reagierte auf die Kritik aus der Schweiz: Man investiere massiv in die Verbesserung von Pünktlichkeit, Qualität und Kapazität, teilte eine Sprecherin mit. Es gelte mit der gesamten Branche die Herausforderungen des europäischen Schienengüterverkehrs gemeinsam zu meistern.
Aus der Schweiz erhält Füglistaler derweil Support. Seine Kritik sei berechtigt, sagt Django Betschart von der Alpen-Initiative. «Während in Italien die Arbeiten vorangehen, ist Deutschland erst 20 Jahre nach der Neat-Vollkapazität so weit.» Die Neat könne ihre Verlagerungswirkung nur entfalten, wenn auch die Anschlussstrecken im Norden und Süden realisiert werden.
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