Weltpremiere in Genf: Uber Eats stellt Fahrerinnen und Fahrer an

Essen im Rucksack, Arbeitsvertrag in der Tasche

Christian Egg

Der Dumping-Lieferdienst Uber Eats muss seinen Kurierinnen und Kurieren in Genf jetzt einen Mindestlohn und Sozialleistungen bezahlen. Der Druck der Unia, von Mitarbeitenden und den ­Behörden hat gewirkt.

ERFOLG! Uber Eats muss jetzt seine Kurierinnen und Kuriere in Genf als Mitarbeitende anerkennen. (Foto: Reuters)

Was wollen Vampire auf gar keinen Fall? An die Sonne. Was will der Dumping-
Taxidienst Uber nie und nimmer? Seine Fahrerinnen und Fahrer anstellen und Beiträge an die Sozialversicherungen zahlen. Aber genau das macht die Uber-Tochterfirma Uber Eats jetzt in Genf. Ein wichtiger Etappensieg, sagt Philipp Zimmermann von der Unia: «Unseres Wissens ist das weltweit das erste Mal, dass Uber oder Uber Eats ihre Mitarbeitenden als Angestellte anerkennen.»

Die rund 500 Personen, die in Genf für Uber Eats unterwegs sind, sollen laut dem Unternehmen von einer neu gegründeten Firma namens Chaskis AG angestellt werden. Dort haben sie Anrecht auf einen Bruttolohn von 20 Franken 65 pro Stunde, auf vier Wochen ­bezahlte Ferien und auf Unfall-, Krankentaggeld- und Sozialversicherungen.

«Wenn die Politik es will, können Schwarzarbeitsmodelle à la Uber gestoppt werden.»

UBER-CHEF SALOM FÄHRT SLALOM

Das erstaunt. Denn bisher hatte sich Uber stur auf den Standpunkt gestellt, man sei nur ein Fahrtenvermittler und keineswegs ein Arbeitgeber. Noch im vergangenen Dezember sagte Uber-Schweiz-Chef Steve Salom gegenüber der «NZZ am Sonntag»: «Wir sind eine Plattform, das ist unsere DNA.» Niemals werde man die Fahrerinnen und Fahrer anstellen, so Salom – lieber würde man sich aus der Schweiz zurückziehen: «Wenn tatsächlich alle Instanzen sagen: Ihr seid ein Arbeitgeber, und daneben gibt es keine Alternative, könnten wir hier nicht mehr operieren. Da müssen wir eine klare Grenze ziehen.»

Jetzt ist diese Drohung verpufft. Der US-Gigant (Jahresumsatz 14 Milliarden Dollar) beugt sich dem Druck, der in den letzten Jahren massiv zugenommen hat.

EIN ERSTER SCHRITT

2017 streikten Uber-Fahrer in Genf, unterstützt von der Unia, für bessere Löhne. Die Medienberichte und Gerichtsentscheide, die das Dumping-Modell Uber in Frage stellten, häuften sich. Und letztes Jahr beschloss die Genfer Kantonsregierung: Uber Eats muss die Mitarbeitenden an- oder den Dienst einstellen. Diesen Juni bestätigte das Genfer Verwaltungsgericht den Entscheid. Zwar zog Uber Eats auch dieses Urteil weiter. Aber das Bundesverwaltungsgericht lehnte eine aufschiebende Wirkung ab, so dass dem Tech-Giganten die Luft zu dünn wurde. Unia-Mann Zimmermann: «Uber scheint jetzt zu merken, dass seine Realitätsverweigerung nicht mehr haltbar ist.»

Noch sind in Genf viele Fragen offen. So stuft der Kanton die Tätigkeit von Uber Eats als Personalverleih ein. Doch weder Uber noch die neue Chaskis AG haben dafür die nötige Bewilligung. Ganz abgesehen davon, dass ein Kettenverleih nicht erlaubt ist: von Chaskis zu Uber und von dort weiter zum Restaurant, das Mahlzeiten ausliefern lässt. Da die Kurierinnen und Kuriere fürs Gastgewerbe tätig sind, gilt für sie der allgemeinverbindliche GAV der Branche – davon steht in den neuen Arbeitsverträgen aber nichts. Genauso wenig äussert sich Uber bisher zu den Geldforderungen seiner Kurierinnen und Kurieren. Laut einer Schätzung der Unia schuldet alleine der Taxidienst den Fahrerinnen und Fahrern in der Schweiz mittlerweile bis zu 500 Millionen an Löhnen, Autospesen und Versicherungsbeiträgen (work berichtete: rebrand.ly/500mio).

Und doch: Ein erster Schritt ist getan. Philipp Zimmermann: «Der Kanton Genf zeigt, dass Schwarzarbeitsmodelle à la Uber gestoppt werden können, wenn die Politik es will.» Seine Forderung ist klar: Jetzt müssen die anderen Kantone, in denen Uber Eats tätig ist, nachziehen.


Uber in den USAKalifornien stimmt ab

In Kalifornien hat Uber sein Hauptquartier. Doch auch dort bläst dem ­Dumping-Dienst ein rauher Wind entgegen: Kürzlich entschied ein Gericht, Uber und sein Konkurrent Lyft müssten Fahrerinnen und Fahrer anstellen und gegen Krankheit und ­Unfall ver­sichern. Das ­Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

VOLKSINITIATIVE. Der Entscheid über die Zukunft des Modells Uber wird wohl an der Urne fallen. Denn Uber und Lyft haben im US-Bundesstaat 600’000 Unterschriften gesammelt für eine Volks­initiative. Bei einem Ja würden die Fahrerinnen und Fahrer zu Selbständigen.

UNSUMMEN. Der Abstimmungstermin ist im ­November. Die kalifornischen Gewerkschaften ­setzen sich für ein Nein ein. Aber: Das Budget der Nein-Kampagne beträgt knapp 900’000 Dollar. Die Ja-Seite verfügt hingegen über 110 Millionen.

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