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AboNeues Alzheimermedikament
Für die Universität Zürich ist es ein Sechser im Lotto

Bis anhin gibt es keine Medikamente, die den Verlauf der Krankheit stoppen können.

Am Montagabend knallten wohl auch an der Universität Zürich die Champagnerkorken, als die US-Behörde FDA dem Alzheimermedikament Aducanumab die Zulassung erteilte. Aducanumab ist aus einem Forschungsprojekt der Uni Zürich entstanden. Die Universität dürfte ordentlich mitverdienen. Sie ist noch immer Inhaberin eines wichtigen Patents für den Wirkstoff.

Machen Forscher oder Forscherinnen eine Entdeckung mit Marktpotenzial, wagen sie den Schritt aus dem universitären Umfeld. Bevor sie das tun, müssen sie ihre Idee mittels Patenten schützen. Inhaberin dieser Patente ist die Uni Zürich, die Forschenden werden als Erfinder genannt.

Dann haben die Wissenschaftler zwei Möglichkeiten. Sie gründen ein Start-up, das sich der Kommerzialisierung der Forschungsidee widmet, oder sie bieten ihre Idee Firmen zum Kauf an. Im Falle des Alzheimermedikaments entschieden die beiden Neurowissenschaftler Roger Nitsch und Christoph Hock, das Spin-off Neurimmune zu gründen.

«Die Hochschulen sind mit öffentlichen Geldern finanziert, deshalb kämpfen wir auch dafür, dass bei einem kommerziellen Erfolg wieder etwas an die Universität zurückfliesst.»

Adrian Sigrist, Transferstelle Unitectra

Fachstellen unterstützen Forschende bei diesem Schritt, für die Universitäten Zürich, Basel und Bern ist das die Transferstelle Unitectra. Die Universitäten haben Richtlinien, wie sie am zukünftigen Erfolg eines Produktes beteiligt sind. «Die Hochschulen sind mit öffentlichen Geldern finanziert, deshalb kämpfen wir auch dafür, dass bei einem kommerziellen Erfolg wieder etwas an die Universität zurückfliesst», sagt Unitectra-Chef Adrian Sigrist.

Im MRI sieht man die Veränderungen im Gehirn eines Alzheimerpatienten.

Die Uni erhält eine prozentuale Beteiligung am Umsatz des zukünftigen Produkts. «Wie hoch die prozentuale Beteiligung jeweils ausfällt, hängt vom Entwicklungsstand des Projekts bei der Patentierung ab», sagt Sigrist. Wenn absehbar sei, dass es bis zur Marktreife noch sehr viel Arbeit brauche, liege der Satz tiefer als beispielsweise bei einer fertigen Software.

Bei Medikamenten ist es ein langer Weg von der Grundlagenforschung bis zum fertigen Produkt. In den Bestimmungen der Universität Zürich zu den Lizenzvergaben heisst es deshalb, bei «Technologie mit hohem Investitionsbedarf nach Lizenzierung (zum Beispiel Pharma)» betrage die Umsatzbeteiligung «um 2 Prozent». In diesem Bereich dürfte die Beteiligung der Uni im Falle von Aducanumab liegen.

Empörung in den USA

Wie gross der Geldsegen sein wird, hängt davon ab, was das Medikament tatsächlich kosten wird und wie erfolgreich es sein wird. Der US-Hersteller Biogen will 56’000 Dollar für sein Alzheimermedikament – pro Jahr. Das sorgt in den USA für Empörung. Für die angesehene Verbraucherorganisation Public Citizen hat das FDA «einen der schlimmsten Entscheide aller Zeiten gefällt und das Zulassungsverfahren für neue Medikamente schlicht ausgehöhlt».

Es ist nicht klar, ob die neue Substanz Betroffenen tatsächlich hilft. Die Ergebnisse in den Zulassungsstudien waren nicht eindeutig, zudem trat ein kleiner Effekt nur bei Erkrankten im frühen Stadium auf. Trotzdem hat die FDA Aducanumab nun für alle Alzheimerkranken zugelassen. Dabei ist noch nicht einmal klar, welche Ursachen überhaupt hinter der Krankheit stecken. Sie sind vermutlich sehr vielfältig. Aducanumab zielt nur auf einen möglichen und umstrittenen Ansatz, die sogenannte Amyloid-Hypothese.

Maltherapie für Demenzkranke in Zürich.

Trotzdem hatten auch Betroffenenorganisationen für das Medikament gekämpft. Die Zulassung ist noch an eine Bedingung geknüpft. Biogen muss eine weitere Studie durchführen, um die Wirkung zu beweisen. Allerdings hat das Unternehmen dafür neun Jahre Zeit.

Gesundheitsexperten hatten einen angemessenen Preis irgendwo zwischen 2500 und 8300 Dollar erwartet. Selbst Finanzanalysten, welche den Pharmaunternehmen wohlgesinnt sind, lagen mit ihren Schätzungen weit daneben. Sie rechneten mit einer Preisspanne von 10’000 bis 25’000 Dollar. Die US-Ärzteorganisation Doctors for America, die für einen erschwinglichen Zugang zur Gesundheitsversorgung kämpft, spricht von einem «Albtraum der Ärzte», der wahr geworden sei. Patienten sähen sich gezwungen, einen exorbitanten Preis für ein Medikament zu bezahlen, dessen Wirksamkeit nicht bewiesen sei.

Enorme finanzielle Belastung

Kritik kommt auch in der Schweiz auf. Auf Anfrage erklärt der Krankenversicherer Helsana, dass der hohe Preis viele Patientinnen und Patienten treffe, die möglicherweise über Jahre damit behandelt würden. Das könne sehr rasch zu einer enormen finanziellen Belastung für das Gesundheitssystem werden. «Angesichts der fragwürdigen Evidenz stellt sich die Frage, weshalb die Allgemeinheit das Risiko finanziell tragen sollte und nicht etwa der Hersteller selbst», sagt Mathias Früh, Gesundheitsökonom bei Helsana. Die lukrative Seite dieser Preispolitik zeigte sich an der Börse: Kaum hatte Biogen das Okay aus Washington erhalten, kletterte der Börsenkurs auf ein Sechsjahreshoch.

Die Schätzungen, wie viel Umsatz Biogen mit dem Medikament machen könnte, gehen auch in Anlegerkreisen weit auseinander. Die Spanne liegt zwischen 5 bis 6 Milliarden wie Stat News schreibt bis zu 112 Milliarden Dollar, falls ein Drittel der rund 6 Millionen Alzheimerpatienten in den USA das Medikament erhielte.

Selbst bei vorsichtig geschätzten 5 Milliarden Dollar jährlich könnte die Universität Zürich kräftig profitieren. Bei 2 Prozent Beteiligung wären das 100 Millionen Dollar pro Jahr. Die jährlichen Einnahmen der Universitäten aus Patenten schwanken stark. Laut Angabe von Unitectra haben die Unis Basel, Bern und Zürich in den letzten 20 Jahren rund 100 Millionen Franken eingenommen. Weil es Medikamente nur selten bis zur Marktreife schaffen, ist es für die Uni deshalb auch ein bisschen wie ein Sechser im Lotto. Das Patent läuft noch bis im Januar 2028.

Neurimmune-Gründer Roger Nitsch.

Obwohl Biogen die alleinige Lizenz für Aducanumab seit 2007 besitzt, wird auch Neurimmune am Erfolg beteiligt sein. Vor drei Jahren gab Biogen bekannt, dass die prozentuale Beteiligung von Neurimmune mit einer Zahlung von einmalig 50 Millionen Dollar auf zukünftig 8 bis 12 Prozent zurückgefahren werde – was aber noch immer eine stolze Summe sein wird. Auch von den 2 Prozent Beteiligung der Universität Zürich erhalten die Erfinder noch einmal rund 10 Prozent. Der Rest geht an das Forschungsinstitut und die Uni.

Zur Höhe der möglichen Einnahmen äussert sich die Universität Zürich (UZH) nicht, aber eine Sprecherin sagt: «Aducanumab ist ein erfreuliches Beispiel für den gelungenen Transfer universitärer Forschung in die Anwendung. Es zeigt, dass UZH-Innovationen einen grossen Nutzen für die Gesellschaft haben und am Markt bestehen können.»

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