Hat die Zürcher Regierung die Lage der Axpo falsch eingeschätzt? Der grüne Baudirektor Martin Neukom muss sich ein weiteres Mal verteidigen

Es sei peinlich, dass Zürich der Axpo nicht helfen könne, heisst es aus den Reihen der FDP im Zürcher Kantonsparlament.

Zeno Geisseler
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Der Energiekonzern Axpo, im Bild sein Kernkraftwerk Beznau, ist wegen der Verwerfungen an den Energiemärkten unter Druck.

Der Energiekonzern Axpo, im Bild sein Kernkraftwerk Beznau, ist wegen der Verwerfungen an den Energiemärkten unter Druck.

Michael Buholzer / Keystone

Die Axpo und Zürich, das ist mehr als nur eine wirtschaftlich enge Verbindung. Wenn der Schweizer Energiegigant Hilfe benötigt und der Kanton Zürich diese als grösster Axpo-Eigner nicht bieten kann, dann ritzt das am Selbstverständnis des Kantons.

Die Fraktionschefin der FDP im Zürcher Kantonsparlament, Beatrix Frey-Eigenmann, hat es am Montag im Rat so formuliert: «Der stolze Wirtschaftskanton Zürich ist nicht in der Lage, die Axpo zu unterstützen. Das finden wir peinlich.»

Mit «wir» sind die Bürgerlichen gemeint: Frey-Eigenmann hatte zusammen mit Vertretern der SVP und der Mitte eine Dringliche Interpellation zur Axpo eingereicht. Der Hintergrund ist, dass der Konzern sich wegen riesiger Verwerfungen an den Strommärkten unter einen Schutzschirm des Bundes begeben musste und sich von Bern quasi über Nacht eine Kreditlimite über 4 Milliarden Franken zusagen liess, um Handelsgeschäfte an den Energiemärkten abzusichern.

Während der Bund die Tasche öffnete, blieben die neun Eignerkantone, allen voran Zürich, untätig. Mehr noch: Kurz bevor der Bund seinen Schirm aufspannen musste, hatte die Zürcher Kantonsregierung seinem Parlament noch schriftlich versichert, dass die Axpo gut aufgestellt sei und Vorkehrungen zur Liquiditätssicherung getroffen habe.

Neukom: Axpo-Geschäftsmodell funktioniert

Wie konnte es passieren, dass die Zürcher Kantonsregierung die Situation beim Energiekonzern Axpo so falsch eingeschätzt hat? Dies war eine der Fragen, welche die Bürgerlichen in ihrer Interpellation stellten. Gerichtet war sie an den Baudirektor Martin Neukom (Grüne), der von Amtes wegen für alle Energiefragen und somit auch für die Axpo zuständig ist.

Dieser wies auf die dynamische Entwicklung der letzten Monate hin und verwahrte sich gegen den Anwurf der Fehleinschätzung. Das regierungsrätliche Assessment zur Lage der Axpo, so formuliert in einer Antwort auf eine frühere Anfrage aus dem Parlament, stamme vom 24. August. Erst am 2. September habe die Axpo aber den Antrag auf eine Kreditlinie von bis zu 4 Milliarden Franken gestellt, und zwar nachdem sich die Lage innert weniger Tage drastisch verschlechtert habe.

Neukom betonte, dass mit dem grössten Schweizer Stromkonzern nichts fundamental falsch sei. Das Geschäftsmodell funktioniere. «Die Axpo ist grundsätzlich hochprofitabel, weil die Strompreise so hoch sind», sagte er. «Sie hat aber ein Liquiditätsproblem.» Im Übrigen habe die Axpo die Kreditlinie des Bundes bis heute noch nicht beansprucht.

Die Axpo sei auch nicht vergleichbar mit einem anderen grossen Schweizer Player auf dem Energiemarkt, der BKW. Diese hatte im Gegensatz zur Axpo auf eine Rettung durch den Bund verzichtet. Die BKW sei zu grossen Teilen im Monopolbereich tätig, sagte Neukom. Sie könne den Strom direkt an Endkunden verkaufen. Die Axpo hingegen habe fast keine gebundenen Kunden, sondern müsse ihre Produktion am freien Markt anbieten.

Es sei auch richtig, sagte Neukom weiter, dass der Bund die Axpo stütze. Kantonale Rettungsschirme seien rechtlich und politisch extrem schwer umzusetzen. Während der Bund den Kredit innert 48 Stunden habe sprechen können, würde ein Zürcher Anteil dem Finanzreferendum unterstehen, und dieses laufe 60 Tage. Auch im Ausland, etwa in Deutschland, Frankreich und in Österreich, seien die nationalen Regierungen eingesprungen, wenn es um die Rettung von Energiekonzernen gegangen sei.

Alles in Ordnung mit der Axpo also aus Zürcher Sicht? Nein. Neukom sagte, dass der Konzern seine Risiken mindern müsse. Und: Zusammen mit dem Aargau, einem anderen grossen Axpo-Aktionär, und weiteren Anteilseignern plane Zürich eine externe Geschäftsprüfung der Axpo.

SVP vergleicht die Axpo mit der Swissair

Im Kantonsrat kamen diese Ausführungen nicht gut an, wobei sowohl die Axpo selbst als auch das Gebaren des Kantons kritisiert wurden. Lorenz Habicher (SVP, Zürich) etwa sagte, er fühle sich an die fehlgeschlagene Hunter-Strategie der untergegangenen Swissair erinnert. «Auch da war immer alles in Ordnung, Probleme wurden heruntergespielt, und am Schluss war vorbei mit lustig.»

Die Axpo sei in über vierzig Ländern tätig, wobei der Handel übervertreten sei. Es gebe Axpo-Töchter in London, New York und Singapur. «Sollte das Geschäft nicht auf Europa reduziert werden?», fragte Habicher.

Diskutiert wurde auch über etwas, das die Axpo erst vor wenigen Jahren abgeschafft hat: Politiker im Verwaltungsrat. Es brauche eine «Wiederannäherung der Politik», forderte die SP-Frau Rosmarie Joss (Dietikon).

Das war keine exklusiv linke Forderung. Auch Yvonne Bürgin (Mitte, Rüti) sagte, die Entpolitisierung der Axpo sei ein gravierender Fehler gewesen. Und Valentin Landmann (SVP, Zürich) verlangte, es solle ein sachkundiger, aktiver Verwaltungsrat geschaffen werden, in dem auch Baudirektor Neukom oder, «noch lieber», der SVP-Finanzdirektor Ernst Stocker Einsitz nehmen könnte.

Regierungsräte im Verwaltungsrat? Baudirektor Neukom sah diese Forderung kritisch. Er wies darauf hin, dass all die strategischen Entscheide, die heute zu so grossen Problemen geführt hätten, etwa der Ausbau des Handelsgeschäfts, noch vom politisch besetzten alten Verwaltungsrat gefällt worden seien.

Zürich soll mehr Direktzüge erhalten

Mit der Diskussion über die Axpo-Interpellation war das Traktandum abgeschlossen. Entscheide wurden keine gefällt. In zwei anderen Traktanden, welche ebenfalls die Baudirektion betrafen, nahm die Regierung hingegen Aufträge entgegen.

Der Rat nahm erstens eine Motion von Links-Grün an, wonach das Potenzial von Sonnenenergie im Kanton Zürich besser genutzt werden soll. Es geht dabei nur am Rande um die gegenwärtige Energiekrise; die Forderung war bereits 2020 eingereicht worden.

Ebenfalls zugestimmt hat das Parlament einer Forderung von Grünen, SP und GLP nach mehr direkten Zugverbindungen von Zürich in andere europäische Grossstädte. Das Besondere daran ist, dass dieses Desiderat im Richtplan eingetragen werden soll, also eigentlich in einem Raumplanungsinstrument.

Auf einem anderen Blatt steht, ob solche Verbindungen tatsächlich umsetzbar sind. Zusätzliche Züge, die auch technisch die Anforderungen für den internationalen Verkehr erfüllen, und vor allem freie Fahrplan-Slots zu attraktiven Reisezeiten dürften jedenfalls nicht einfach zu finden sein.

Der Regierungsrat hat nun bei beiden Aufträgen zwei Jahre Zeit, eine Vorlage auszuarbeiten.

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