Frauenstreik-Erfolg in Luzerner Reinigungsfirma

Blockade zwingt Macho-Chef in die Knie

Jonas Komposch

Am 14. Juni blockierten ­streikende Reinigungsfrauen ihre Firma. Mit Erfolg! Der Chef habe sie beschimpft und zu Gratisarbeit gezwungen.

KEIN DURCHKOMMEN: Die streikenden Arbeiterinnen lassen sich nicht vertreiben und lassen die Streikbrecher nicht in den Betrieb. (Foto: Fabian Biasio)

Mitten in einer grauen Wohnblocksiedlung gleich neben dem Luzerner Verkehrshaus sitzt die Reinigungsfirma A & M Durães GmbH. Von hier rücken jeden Tag um 7 Uhr 45 die Putzteams aus, um den Villen, Büros und Hotels am Vierwaldstättersee zu neuem Glanz zu verhelfen. Aber nicht heute: Es ist Frauenstreik!

Und gerade beginnt die Aktion, die Unia-Sekretärin Ana Pica begleitet. Punkt eine Minute vor Schichtbeginn öffnen sich wie auf Kommando die Türen von vier parkierten Autos. Frauen steigen aus. Sofort bilden sie eine Kette und blockieren die Zufahrt zum firmeneigenen Fuhrpark. Der Putzbetrieb ist damit komplett stillgelegt. ­Unter den frühmorgendlichen Blockierenden sind zehn streikende sowie einige ehemalige Arbeiterinnen der Durães GmbH, Unia-Leute und Unterstützerinnen vom Luzerner Frauenstreikkollektiv.

Die Arbeiterinnen blockieren die Zufahrt und legen den Betrieb damit komplett still.

Wie ihr Chef Albino Durães stammen auch die streikenden Frauen allesamt aus Portugal. Sie leben meist erst seit kurzem in der Schweiz. Kämpferisch sehen sie aus mit ihren Sonnenbrillen und verhüllten Gesichtern. Doch die Verhüllung hat mit ihrer Angst vor Repressalien ihres Chefs zu tun. Der habe sich nämlich schon früher unmöglich aufgeführt, sagen die Frauen. An schlechten Tagen nenne er sie nicht einmal beim Namen: «Er beschimpfte uns als ‹Kühe› und mit sehr vulgären Worten», sagen sie (siehe «GAV: Verstösse der Chefs»). Für ihren ersten Streik mussten sie also allen Mut zusammennehmen.

PICK-UP GEGEN MENSCHENKETTE

Unterdessen ist die halbe Nachbarschaft auf die Frauenblockade aufmerksam geworden. Selbstbewusst stehen die Arbeiterinnen da, fast siegessicher wirken sie. Doch plötzlich kommt Hektik auf. Zwei junge Arbeiter von Durães brüllen die streikenden Frauen an: «Was soll das hier? Wir müssen an unsere Arbeit!» – Doch es gibt kein Durchkommen für sie, solange der Chef sich nicht zeigt, um zu verhandeln. Da schalten die beiden Arbeiter auf stur und wollen die Blockade durchbrechen. Einer steigt in seinen Pick-up, legt den Rückwärtsgang ein, drückt aufs Gas und rast fast in die Menschenkette. In letzter Sekunde kommt er zur Vernunft und bremst. Just in diesem Moment kommt auch Chef Durães angebraust. Er kocht vor Wut. Wild gestikulierend verlangt er Gewerkschafts- und Presseausweise. Dem Fotografen will er das Fotografieren verbieten. Jeder Versuch, mit ihm zu sprechen, schlägt fehl.

POLIZEI UND DURCHBRUCH

Erst als die Polizei auftaucht, beruhigt sich Durães. Er selbst hat sie schliesslich gerufen. Plötzlich ist er bereit, mit den Streikenden zu sprechen, will aber die Polizisten dabeihaben. Doch diese winken ab und erteilen ihm eine Lektion in Staatskunde: In arbeitsrechtlichen Verhandlungen hätten sie nichts verloren, und überhaupt sei «das hier» völlig legal. Nach wenigen Minuten ziehen die Polizisten ab. «Schicken Sie mir einfach die Rechnung!» ruft ihnen der Chef nach. Warum beschimpfen und beleidigen Sie die Mitarbeiterinnen? will work von ihm wissen. Er: «Beleidigungen in meinem Betrieb? Nicht, dass ich wüsste!» Warum lassen Sie gratis arbeiten? fragt work weiter. Darüber sei er bereit zu verhandeln, sagt Durães und lädt Pica und Cristiano Azevedo von der Unia in sein Büro. Nach einer halben Stunde kehren sie zurück und verkünden den Durchbruch: Durães hat eingewilligt, von nun an sowohl die Vor- und Nachbereitungsarbeiten als auch die Fahrzeiten zu bezahlen. Was für ein schöner Erfolg!

GAV: Verstösse des Chefs

Was die Arbeiterinnen ihrem Chef Albino Durães vorwerfen, wiegt schwer. Respektlos und abschätzig würden sie von ihm behandelt und beschimpft: «mit sehr vulgären Worten, die in keiner Zeitung stehen sollten». Das sagt eine ehemalige Angestellte. Ihre Ärztin empfahl ihr zu kündigen, weil diese Arbeitsatmosphäre sie krank machte. Einmal habe sie sich gegen die Beleidigungen gewehrt, erzählt eine andere Reinigungsfrau. Da habe Durães nur noch gedonnert und geschrien: «Das ist mein Haus! Hier gelten meine Regeln!» Wegen solcher Vorfälle ist die Firma der Unia bekannt. Gewerkschafterin Ana Pica erzählt: «Die Reinigungsfirma habe ich schon seit zwei Jahren auf dem Radar. Doch beweisen liessen sich die Beschimpfungen bislang nicht.»

MEHR GELD. Ganz im Gegensatz zur gut dokumentierten Gratisarbeit. Dazu eine Mitarbeiterin: «Gebrauchte Lumpen waschen wir abends und legen sie morgens zusammen. Beides dauert eine Viertelstunde, und beides kriegen wir nicht bezahlt.» Ebenso wenig bezahlte Durães die Fahrzeit von der Firma zum Einsatzort und zurück. Beides klare Verstösse gegen den Gesamtarbeitsvertrag der Reinigungsbranche.

In den Verhandlungen vom 14. Juni mit Unia-Frau Pica bestätigte Durães, weder Fahrzeiten noch das Lumpenputzen bezahlt zu haben. Er habe nicht gewusst, dass dies Pflicht sei. Mittlerweile hat Durães mit der Unia eine Vereinbarung getroffen und unterzeichnet. Er verspricht damit, jede geleistete Arbeit zu entlöhnen.


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