Die Vorlage sieht eine Abgabe von 30 bis 120 Franken pro Flug vor. (Bild: Goran Basic / NZZ)

Die Vorlage sieht eine Abgabe von 30 bis 120 Franken pro Flug vor. (Bild: Goran Basic / NZZ)

Die Revision des CO2-Gesetzes ist der erste Härtetest nach der Schweizer «Klimawahl»

Sie soll zusätzliche Abgaben auf Treibstoffen und Heizöl, tiefere Grenzwerte sowie einen dicken Subventionstopf bringen. Die «grüne Welle» bei den jüngsten Wahlen kann schon Anfang nächster Woche konkrete Auswirkungen haben.

Hansueli Schöchli
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Grün war die Gewinnerfarbe bei den Nationalratswahlen vor Wochenfrist. Konkrete Folgen für die Gesetzesarbeit könnten sich schon Anfang nächster Woche zeigen. Dann beugt sich die Umweltkommission des Nationalrats über die Revision des CO2-Gesetzes. Die Parlamentskommissionen tagen bis Ende November noch in alter Besetzung, doch das Parlament wird seine nächste Session im Dezember in der neuen Zusammensetzung bestreiten.

Vergangenes Jahr hatte der Nationalrat die Revision des CO2-Gesetzes versenkt – kraft einer unheiligen Allianz von Linken (welche die Verwässerung kritisierten) und von der SVP (der die Vorlage zu weit ging). Diesen Herbst hat aber der Ständerat einer deutlichen Verschärfung des Entwurfs zugestimmt. Die Vorlage umfasst unter anderem erhöhte Abgaben auf Benzin und Heizöl, eine Flugticketabgabe von 30 bis 120 Fr. pro Flug, eine Senkung der CO2-Grenzwerte für Fahrzeuge und einen Subventionstopf namens «Klimafonds», dem jährlich aus diversen Abgaben rund 1 Mrd. Fr. zuflössen. Die Gesetzesrevision soll das von der Schweiz im Rahmen des Pariser Klimaabkommens deklarierte Ziel der Halbierung der Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 1990 umsetzen.

Heikler Tanz für die FDP

Im neuen Nationalrat dürfte die Gesetzesvorlage des Ständerats in der Stossrichtung gute Chancen haben. Interessant wird vor allem die Haltung der FDP sein, die in diesem Jahr einen Kurswechsel zugunsten einer verstärkten Umweltpolitik angekündigt hatte. Er werde die Vorlage des Ständerats «nicht einfach durchwinken», betont der Berner Nationalrat Christian Wasserfallen, der für die FDP in der Umweltkommission sitzt. Die Vorlage hat laut Wasserfallen noch «mehrere Baustellen». Als Stichworte erwähnt er die CO2-Grenzwerte für Gebäude und Nutzfahrzeuge, die Flugticketabgabe und die Privatflugabgabe.

Doch will die FDP dabei wahrgenommen werden, wie sie kurz nach Verkündung ihres Kurswechsels in der Umweltpolitik und dem Wahlerfolg der Grünen und Grünliberalen auf eine Lockerung der Revision zum CO2-Gesetz drängt? «Ich betrachte die Vorlage nicht mit der parteipolitischen Brille», betont Wasserfallen. Er wolle Lösungen, welche ökologisch, wirtschaftlich sinnvoll und sozialverträglich seien.

Jenseits der Inhalte geben auch verfassungsrechtliche Zweifel zu reden. Dies betrifft die vorgeschlagene Flugticketabgabe, die pro Jahr gegen 1 Mrd. Fr. ausmachen könnte. Das klingt wie eine neue Steuer. Für jede Steuer braucht es eine konkrete Verfassungsgrundlage. Die Bundesverfassung gibt zwar dem Gesetzgeber die Kompetenz, einen Zuschlag auf der Verbrauchssteuer auf allen Treibstoffen zu erheben, aber gleich danach folgt die Einschränkung: «ausser den Flugtreibstoffen».

Rückverteilung muss sein

Doch gilt die geplante Flugticketabgabe im verfassungsrechtlichen Sinn als «Steuer»? Laut dem bekannten St. Galler Kommentar zur Bundesverfassung (2014) vertritt die Lehre mehrheitlich die Auffassung, dass der Bund eine Kompetenz für die Erhebung von Umweltlenkungsabgaben habe, aber dafür strenge Voraussetzungen gälten. Nach Auffassung des erwähnten Verfassungskommentars müssten die Erträge der Abgaben vollständig rückverteilt werden, damit die Abgabe nicht als Steuer gelte; in dieser Lesart sei schon die geltende Teilzweckbindung der Erträge der CO2-Abgabe verfassungswidrig.

Nicht alle Juristen teilen diese strenge Sicht. Lobbyisten haben dem Vernehmen nach Parteigutachten vorgelegt, gemäss denen eine direkte Rückverteilung an die Bürger oder Unternehmen nicht nötig sei. Die traditionelle Sicht der Bundesjuristen verlangte, dass nicht alles, sondern «nur» der grosse Teil der Erträge rückverteilt wird. Laut einer gängigen Bezifferung hiess dies «mindestens zwei Drittel». Das Bundesamt für Umwelt hatte noch vor Jahresfrist in einem Papier über die Flugticketabgabe erklärt, dass die Einnahmen «grösstenteils» rückverteilt werden müssten, damit die Abgabe nicht als Steuer gelte. Etwas weniger klar war der Folgesatz: «Allfällige Teilzweckbindungen dürfen nur den kleineren Teil der Einnahmen umfassen und müssen die Lenkungswirkung der Abgabe verstärken.»

Gemäss der Vorlage des Ständerats könnte der Bund 49% der Einnahmen aus der geplanten Flugticketabgabe als zweckgebundene Steuer verwenden. Das klingt nach einer extensiven Auslegung der Bundesverfassung. Doch die jüngere Vergangenheit hat wiederholt gezeigt, dass die Politik den Verfassungsrahmen nicht allzu ernst nimmt, wenn dieser Rahmen politischen Zielen in die Quere kommt. Das ist auch den Bundesjuristen bewusst, die sich dem Vernehmen nach am Ende nicht mehr gegen den Zweckbindungsvorschlag zur Flugticketabgabe gesperrt haben.

Aus einer finanzpolitischen Sicht erscheinen Zweckbindungen für Erträge grundsätzlich als Ärgernis: Die Zweckbindung nimmt dem Parlament im jährlichen Budgetprozess Spielräume weg, womit Sparentscheide nicht mehr aufgrund politischer Prioritäten fallen, sondern auf nicht gesetzlich gebundene Ausgabeposten konzentriert sind. Schon sind gegen zwei Drittel der Bundesausgaben nicht kurzfristig veränderbar.

Spielkasse für den Bundesrat

Bei der Flugticketabgabe sorgt auch der offene Verwendungszweck für Fragezeichen. Bei erwarteten Erträgen von rund 1 Mrd. Fr. pro Jahr aus der besagten Abgabe kann der Bundesrat bis gegen 500 Mio. Fr. (49%) für den Klimafonds reservieren. Gemäss Vorschlag des Ständerats könnten Bundesrat und Verwaltung den Grossteil davon (geschätzte 450 Mio. Fr. pro Jahr) auf ein breites Spielfeld verteilen. Aus Sicht von Kritikern ist der vorgesehene Verwendungszweck («weitere Massnahmen», die das Ziel des CO2-Gesetzes unterstützen) so breit definiert, dass der Bundesrat Budgetentscheide des Parlaments durch Gelder aus dem Klimafonds unterlaufen könnte. Aber wenn das Parlament dem Bundesrat solch grosse Spielräume gewähren will, darf es sich über mögliche Konsequenzen nicht beklagen.

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