Mediengesetz: Darum sagen die Gewerkschaften am 13. Februar Ja

Gegen den Medien-Einheitsbrei!

Marie-Josée Kuhn

Für den Service public, für die Arbeitnehmenden und gegen Google & Co: Das «Massnahmenpaket zugunsten der Medien» ist dringend nötig.

FÜR MEHR VIELFALT – nicht nur im Print. Das wirklich Neue am Mediengesetz ist die Förderung von Onlinemedien. (Foto: Keystone)

Die Konzentration in der Medienlandschaft schreitet voran. Auch in der Schweiz. Immer weniger Medienkonzerne fressen immer mehr Zeitungen auf. Sie lagern die lukrativen Konzernteile aus und trimmen sie auf maximalen Profit. Was sie dabei herausholen, verteilen sie unter den Aktionärinnen und Aktionären. Reinvestiert wird von den Konzernen kaum noch. Dieser Kannibalismus zerstört journalistische Qualität. Inzwischen bespielen und kontrollieren die vier Konzerne TX Group (Tamedia), Ringier, CH Media und NZZ-Mediengruppe fast die ganze Schweiz. Als «vereinigte Aargauer und Zürcher Zentralredak­tionen», wie spitze Zungen den journalistischen Einheitsbrei nennen.

Ein eindrückliches Beispiel: Am 7. Januar publizierte die «Aargauer Zeitung», die zur CH Media Group des Aargauer Verlegers Peter Wanner und zur NZZ gehört, ein Interview mit dem Kinderarzt und Long-Covid-Experten Daniel Vlies zum Thema «Kinder und Corona-Impfung». Am gleichen 7.  Januar erschien das gleiche Interview der gleichen Journalistin dann auch noch in 17 weiteren Regionalzeitungen und einem Onlineportal, alle ebenfalls in den Händen von CH Media: in der «Appenzeller», «Wiler», «Obwaldner», «Nidwaldner», «Solothurner», «Limmattaler», «Luzerner», «Thurgauer» und «Zuger Zeitung». Im «St. Galler», «Grenchner», «Oltner», «Badener», «Toggenburger» und «Zofinger Tagblatt». Sowie im «Rheintaler» und auf dem Onlineportal «Watson».

Jetzt war das in diesem Einzelfall vielleicht ganz okay, weil der Long-Covid-Experte aus dem deutschen Jena spannende Dinge sagte. Doch grundsätzlich ist eine solche Monokultur bei den Medien ebenso schädlich wie in der Landwirtschaft. Sie bedroht die Medien- und Meinungsvielfalt und damit die Demokratie.

(Quelle: Bakom)

DIE «RÖSSLI»-SCHWEIZ

Trotz aller Monokultur: Es gibt sie noch, die unabhängigen «Kleinen», die teilweise sehr erfolgreich geschäften, wie zum Beispiel der «Walliser Bote» seit der Übernahme der Aktienmehrheit durch den Modeunternehmer Fredy Bayard.

Und es gibt auch noch all diese Regional- und Lokalblätter, die von der Gemeindeversammlung berichten oder über den Wirtinnenwechsel im «Rössli». Es sind Zeitungen wie etwa der «Willisauer Bote», die «Sim­mental Zeitung» oder die zweisprachige «Engadiner Post». Sie leisten ­Service public und werden gerne unterschätzt. Doch auch sie kommen wirtschaftlich immer mehr unter Druck: unter anderem, weil ihre Werbeeinnahmen einbrechen.

Und genau da setzt das Mediengesetz an, über das wir am 13. Februar abstimmen. Das «Massnahmenpaket zugunsten der Medien» bringt insgesamt 150 Millionen Franken mehr Medienförderung als bisher. Befristet auf sieben Jahre (Details siehe Tabelle).

Auch work würde als Mitgliedschaftspresse-Titel mehr Rabatte für die Zustellung erhalten als bisher. So wie fast tausend andere Publikationen der Gewerkschafts-, Gewerbeverbands-, Mieter-, Kirchen-, Bauernparteien-, Umweltschutz- und Konsumentinnenschutz-Presse auch. Das ist ­richtig und wichtig. Denn die steigenden Posttarife drohen so manch ein Budget zu sprengen.

Neu sollen aber auch die grossen Abonnementstitel von der staatlichen Medienförderung profitieren können, etwa von einer neuen Ermässigung der Früh- oder Sonntagszustellung. Oder von der direkten Förderung von Onlinemedien. Dieser 30-Millionen-Posten im Massnahmenpaket ist denn auch der umstrittenste. Ein Rechtsaussen-Komitee läuft gegen das Mediengesetz mit der chlepfigen Parole Sturm: «Keine Steuermilliarden für Medienmillionäre!» Schaut man sich die Mitglieder genauer an, so wird klar: Allein dieses politisch unappetitliche Personal rechtfertigte ein Ja zum Mediengesetz (siehe Text unten).

«Wir dürfen die Jungen nicht den Fake News auf den sozialen Medien überlassen!»

GROSSE PROFITIEREN AUCH

Die «Kleinen» sollen überproportional profitieren, so will es das Gesetz. ­Zumindest anteilsmässig. Unschön bleibt aber trotzdem, dass die «Grossen» und Etablierten voraussichtlich die Hälfte der Subventionen für Onlinemedien bekommen werden. Das zuständige Bundesamt für Kommunikation (Bakom) geht in einem Bericht von 54 Prozent aus, die an grosse Medienhäuser mit Jahreseinnahmen über 5 Millionen Franken fliessen würden. Wirklich zuverlässige Berechnungsgrundlagen fehlen allerdings noch. Dennoch hat der Gewerkschaftsbund SGB die Ja-Parole zur ­Vorlage beschlossen.

GAV-PFLICHT FÜR FRÜHZUSTELLER

SGB-Medienmann Reto Wyss sagt es so: «Aus gewerkschaftlicher Sicht ist ein Ja zum Medienpaket unabdingbar, denn das Medienpaket ermöglicht die technologieunabhängige Förderung von Informationsjournalismus im ganzen Land.» Junge Onlineportale, Lokalzeitungen in Randregionen oder etwa eine an ein migrantisches Publikum gerichtete Spartenzeitschrift würden einen «überproportionalen Anteil der vorgesehenen Unterstützungsgelder» bekommen.

Und dann sind da auch noch die Verbesserungen, die das Förderpaket für die Arbeitnehmenden in der ­Branche bringt. Die Medienexpertin und Syndicom-Vizechefin Stephanie Vonarburg sagt: «Das Gesetz hilft Arbeitsplätze sichern und neue schaffen. Es bringt aber auch mehr Geld für die Aus- und Weiterbildung von Medienschaffenden. Plus eine GAV-Pflicht für Frühzustellerfirmen.»

Allein zwischen 2008 und 2018 sind im Mediensektor laut einer Uvek-Studie 2100 Jobs verschwunden. Das sind 10 Prozent aller Jobs in der Branche. Diese Jobvernichterei müsse «dringend gebremst werden», so Vonarburg. Ebenfalls mehr als dringlich seien zukunftsgerichtete Investitionen zugunsten digitaler Medien. Vor allem die Jüngeren informieren sich online. Die Onlinemedien-Förderung sei deshalb das «wirklich Innovative» an diesem Mediengesetz. Vonarburg: «Wir dürfen die Jungen nicht Google, Facebook & Co. und den Fake News auf den sozialen Medienkanälen überlassen!»

Dringender Aufruf

Eine «spontane Gruppe» von Prominenten aus Politik, Kultur und Wissenschaft ruft in einem dringenden Aufruf zu einem Ja zum Mediengesetz am 13. Fe­bruar auf. Begründung: «Demokratie braucht Meinung. Meinung braucht Wissen. Wissen braucht Fakten. Fakten brauchen Medien. Medien brauchen Geld.» Zu den Erstunterzeichnenden gehören auch Unia-
Chefin Vania Alleva und SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard. Wer das Medienförderungs­paket ablehne, überlasse die freien Medien ein paar wenigen ­Milliardären, die sich Meinung kaufen könnten, steht weiter im Aufruf. Deshalb gebe es nur eins: Ja stimmen!

dringender-aufruf.ch


Nein-Komitee  Rechtsaussen-Gegner laufen Sturm

Sie sind einschlägig bekannt, hart rechts und finanzstark: die Mitglieder des Komitees gegen das neue Mediengesetz.

Lanciert hat das Referendum an vorderster Front der ehemalige Inlandchef des Blocher-Blattes «Weltwoche», Philippe Gut. Der Historiker war lange Zeit das aggressivste Ross in «Weltwoche»-Verleger Roger Köppels Stall, bevor er gehen musste. Mit seinem über­bordenden Enthüllungsdrang brachte Gut zwar einen FDP-­Regierungsrat vor Gericht, aber eben auch sich selber. Und wurde schliesslich wegen Anschuldigungen verurteilt, die er nicht belegen konnte. Neu poltert der Corona-Schwurbler jetzt auch für Blocher-Groupie Markus Somm in dessen «Nebenspalter». Und ist mit seiner PR-Bude als Ghostwriter für die SVP tätig.

KROKODIL. «Nebelspalter»-Verleger Somm, seines Zeichens Ex-Chefredaktor von Blochers «Basler Zeitung», sitzt als Mitglied ebenfalls im Komitee gegen «Millionen für Medienmillionäre» und «Staatsmedien». Zusammen mit SVP-Mann Toni Brunner und Ex-Privatbankier Konrad Hummler, der sich mit seiner Bank Wegelin im Steuerbetrugsgeschäft mit den USA verzockt hatte. Unterdessen ist er VR-Präsident der Klarsicht AG, die den rechts umgebauten «Nebelspalter» herausgibt. Derweil alt FDP-Nationalrat Peter Weigelt als Präsident des Komitees waltet. Auch er ein altes, scharfrechtes Krokodil und als PR-Unternehmer schon immer zu haben, wenn’s gegen den Staat geht.

Übrigens: Zentral für das Zustandekommen des Referendums waren die «Freunde der Verfassung» – also jene Corona-Schwurbler, die sich nach zwei krachenden Abstimmungsniederlagen trotz grosser Präsenz in den «Mainstream-Medien» gerade selber zerlegen. Und auch schon für die Initiative «No Billag» weibelten, die die Radio- und Fernsehgebühren abschaffen wollte und im März 2018 an der Urne wuchtig bachab geschickt wurde.

1 Kommentar

  1. Stefan Hilbrand

    Viel für die Grossen und Brosamen für die Kleinen – dieser Logik folgen Mediengesetz und Emmissionsabgabe.
    Die Kleinen stürzen sich auf die Brösmeli und stützen Strukturen, die die Linke eigentlich überwinden will – Empowerment sieht anders aus.

    herzlich SH

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