Am 25. September könnte sich Italien in den Abgrund wählen

Wer ist La Meloni?

Oliver Fahrni

Für «Gott, Vaterland und Familie»: Unter der ­Maske einer Konservativen ver­birgt sich eine Neo­faschistin. Trotzdem wird Giorgia Meloni wohl bald Italiens Geschicke leiten.

(Foto: Getty)

Wer die wirkliche Politikerin kennen möchte, die derzeit alle Wahlumfragen in Italien anführt, sollte den Fernseher ausschalten. Denn dort gibt es nur die Fassade zu sehen, eine fiktive Staatsfrau Meloni. Dafür reichlich davon. «Ich bin Giorgia, Frau, 45, Katholikin, Mutter», sagt sie. Und selbstverständlich eine missverstandene Demokratin, Kämpferin für die Benachteiligten, capisc’?

Meloni marschiert maskiert. Das gehört zu den vielen Dingen, die sie mit Marine Le Pen teilt, der Führerin der französischen Rechtsextremen, neben ihrer gemeinsamen Verehrung für Putin, den Pilgerfahrten nach Budapest zum ungarischen Herrscher und Mentor Viktor Orbán und ihrer Nähe zu Steve Bannon, dem Mann hinter Donald Trump (Bannon hat vor einiger Zeit extra eine Wohnung in Roms Zentrum angemietet). Beide geben sich gerne blond und reden sich schon mal fürchterlich in Rage, nennt man ihre Politik rechtsex­trem oder misst man sie an ihren eigenen neo­faschistischen Programmen. Sie sei das Opfer ausländischer Medien, tat ­Meloni kürzlich dreisprachig per Video kund, denn Italiens Rechte habe «den Faschismus schon vor vielen Jahren» hinter sich gelassen.

SCHNELLER AUFSTIEG. Es ist noch nicht lange her, da hat sie den faschistischen Diktator Benito Mussolini einen «grossen Politiker» genannt. Mit 15 ist sie in die Jugendorganisation der MSI eingetreten, der faschistischen Mussolini-Nachfolgepartei, um sich an ihrem «kommunistischen Vater zu revanchieren». Als die MSI zur Nationalen Allianz AN wurde, übernahm Meloni Führungsfunktionen. 2006 wurde sie,
erst 29jährig, für die AN ins Parlament gewählt. Zwei Jahre später machte Silvio Berlu­sconi sie zur Jugendministerin.

OBSESSIONEN. Heute räumt Meloni ein, Mussolini habe Fehler gemacht. Nur gilt bei solchen Maskenspielen eine heimtückische Regel: Die wirkliche Natur bricht immer wieder durch. Etwa, wenn Meloni in wüste Hasstiraden gegen Homosexuelle ausbricht. Oder wenn sie mit der rassistischen Theo­rie des Franzosen Renaud Camus behauptet, Afrika wolle die weisse Rasse in Europa durch eine «grosse Verdrängung» unterjochen. Solche Obsessionen machen blind. Zum Start ihrer Wahlkampagne am 23. August stellte sie den Mitschnitt der Vergewaltigung einer Ukrainerin durch einen Flüchtling aus Guinea in Piacenza aufs Netz. Das Opfer fühlte sich «terrorisiert», zum zweiten Mal vergewaltigt. Meloni wird das kaum geschadet haben. Ihre Rechtskoalition mit dem ewigen Wiedergänger Silvio Berlusconi, 85, der Italien schon mehrmals ruiniert hat, und dem ultrarechten Lega-Chef Matteo Salvini, 49, liegt in den Umfragen weit vorne. In diesem Dreiergespann ist sie klar die Nummer eins. Salvini versucht, sie mit einer wilden Kampagne noch rechts zu überholen. Doch Meloni hat einen entscheidenden Vorteil: Anders als Salvini und Berlusconi ist sie der «Regierung der Nationalen Einheit» von Mario Draghi ferngeblieben.

Pünktlich zur 100-Jahre-Feier von Mussolinis «Marsch auf Rom» dürfte sie in Rom zur Regierungschefin aufsteigen. Um Italien mit einer «Seeblockade» vor jeder Migration abzuschirmen. Um die Abtreibung zu kippen, die Gewerkschaften zurückzubinden und im Namen der «christlichen Identität» gegen den Islam zu ziehen. Gewinnt ihre Koalition gar eine Zweidrittelmehrheit, will Meloni die parlamentarische Demokratie gar durch ein Präsidial­regime ablösen. Das, sagt sie, sei ihr alter Traum

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