Corona: Gesundheitsminister darf Patentschutz aufheben

Neben anderen Ermächtigungen erlaubt das geänderte Infektionsschutzgesetz dem Gesundheitsministerium, Patente in einer gesellschaftlichen Notlage zu ignorieren.

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Corona: Gesundheitsminister darf Patentschutz aufheben

(Bild: creativeneko / Shutterstock.com)

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Von
  • Christian Kirsch

Das deutsche Patentgesetz erlaubt der Bundesregierung in seinem § 13, die Benutzung einer Erfindung auch gegen den Willen des Patentinhabers "im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt“. In Anspruch genommen wurde diese Möglichkeit bisher noch nie – was sich aber im Verlauf der Corona-Krise ändern könnte.

Denn das neugefasste Infektionsschutzgesetz erwähnt in § 5 diesen juristisch "Benutzungsanordnung“ genannten Vorgang ausdrücklich. Es räumt dem Bundesgesundheitsminister die Möglichkeit ein, einem Dritten die Nutzung eines Patents gegen den Willen seines Inhabers zu gestatten. Allerdings muss der Staat den Patentinhaber dafür angemessen bezahlen, die Benutzung muss zeitlich befristet sein und begründet werden.

Davon betroffen sein können lediglich bereits erteilte Patente. Es geht also im Infektionsschutzgesetz etwa um bekannte und patentierte Wirkstoffe, die gegen Corona-Viren helfen können – nicht um gerade in Entwicklung befindliche Impfstoffe, die frühestens in zwei Jahren patentiert wären. Das von der US-Firma Gilead Sciences hergestellte und unter anderem in Europa patentierte Remdesivir könnte jedoch von einer Benutzungsanordnung erfasst werden. Zurzeit untersuchen Wissenschaftler unter anderem in China, ob es gegen die Corona-Viren wirkt.

Erfüllt sich die Hoffnung und wäre die Firma nicht bereit oder nicht in der Lage, genügend Wirkstoff nach Deutschland zu liefern, könnte das Gesundheitsministerium eine deutsche Pharmafirma mit dessen Herstellung beauftragen und so die Versorgung hierzulande gewährleisten. Gilead bekäme in diesem Fall eine angemessene Vergütung, die dem Münchener Patentexperten Wolfgang Weiß zufolge zwischen 5 und 15 Prozent des Umsatzes beträgt.

US-Präsident Trump hatte vor Kurzem versucht, einen von der Tübinger Firma CureVac entwickelten zukünftigen Impfstoff exklusiv für die USA zu reservieren. Möglicherweise sendet die Bundesregierung mit dem § 5 des Infektionsschutzgesetzes die Bundesregierung nun ein Signal, deutsche Interessen auch gegenüber ausländischen Pharmafirmen durchsetzen zu wollen.

Neben der Benutzungsanordnung sieht das Patentgesetz eine Zwangslizenz vor (§ 24). Sie setzt ein öffentliches Interesse voraus, kann aber erst nach gescheiterten Lizenzverhandlungen erteilt werden. Dafür ist jedoch das Patentgericht zuständig, das Verfahren ist also wesentlich langwieriger als die Benutzungsanordnung. 2016 hatte das Bundespatentgericht erstmals eine Zwangslizenz beschlossen. Damals ging es um ein HIV-Medikament, dessen japanischer Hersteller der Firma Merck keine Lizenz gewähren wollte. (ck)