Der Arbeitskonflikt geht in die nächste Runde:

Ab sofort steht Smood unter «verschärfter Beobachtung»

Christian Egg

Nach dem Streik beim Lieferdienst Smood ist die Schlichtung ­gescheitert. Der Kanton will jetzt ­kontrollieren, ob Smood & Co. die ­Gesetze einhalten.

STARKER AUFTAKT: Mit ihrem fünfwöchigen Streik haben die Smood-Fahrerinnen und -Fahrer eine Solidarisierungswelle ausgelöst. Die Petition «Smood, hör zu» trägt über 12’000 Unterschriften. Doch Smood zeigt bisher kein Gehör. (Foto: Unia)

Verschwundene Arbeitsstunden und Trinkgelder, lächerliche Fahrspesen und nie ein Monatslohn über 3000 Franken: Anfang November hatten die Fahrerinnen und Fahrer des Schweizer Lieferdienstes Smood die Nase voll und streikten. Mit Unterstützung der Unia und zuerst in Yverdon VD. Kurz ­darauf hiess es von Genf bis ins Wallis, von Lausanne bis nach Freiburg: Smood streikt! (work berichtete: rebrand.ly/smoodstreik).

Nach fünf Wochen Streik sprach der Kanton Genf ein Machtwort und ordnete eine Schlichtung an. Bis zu ihrem Ende müssen die Parteien «alle Kampfmassnahmen unterlassen». So sagt es das Genfer Gesetz. Also unterbrachen die Fahrerinnen und Fahrer ihren Streik und verhandelten. Ih­r­e Forderungen waren moderat: 24 Franken Stundenlohn, alle Stunden und Wartezeiten während der Schichten werden bezahlt, keine willkürlichen Strafen mehr und eine faire Entschädigung für Fahrzeug- und Handyspesen.

Trotz Friedenspflicht entliess Smood drei Mitarbeitende, die gestreikt hatten.

Am 25. Januar endete die Schlichtung. Leider ohne Einigung. Unia-Mann Roman Künzler ist enttäuscht: «Die Fahrerinnen und Fahrer waren auch bereit, einen Teil ihrer Forderungen zurückzustellen, um eine Teileinigung zu erzielen. Aber das war nicht möglich.»

Schlimmer noch: Trotz Friedenspflicht entliess Smood drei Mitarbeitende, die sich am Streik beteiligt hatten. Ein Versuch der Einschüchterung, den die Unia aufs schärfste verurteilt (siehe Interview unten). Laut Unia-Mann Künzler bekamen andere Streikende plötzlich keine Schichten mehr zugeteilt. Gleichzeitig habe Smood massiv neue Mitarbeitende eingestellt. «Das Ziel war klar», sagt Künzler: «Die Firma wollte die Streikbewegung aushebeln.»

MANN DES MONATS

Chef und Mehrheitsbesitzer von Smood ist Marc Aeschlimann, einer der reichsten Schweizer unter 40 Jahren. Das Wirtschaftsmagazin «Bilanz» hat ihn soeben zum «Mann des Monats» erkoren. Und feiert auf sechs Seiten das «atemberaubende Wachstum» der Firma, nicht ohne zu finden, der Chef habe «Respekt vor seinen ­Kurieren» und begegne ihnen «auf Augenhöhe». Der «ewige Streit mit den Fahrern» kommt in der Lobeshymne nur am Rand vor.

GANG ANS SCHIEDSGERICHT?

Und was macht der Kanton Genf? Auf Anfrage von work sagt die ­zuständige grüne Regierungsrätin Fabienne Fischer, sie nehme «mit Bedauern» vom Scheitern der Schlichtung Kenntnis. Und: Die als Plattformen organisierten Essenslieferfirmen seien «unter verschärfter Beobachtung». Die Kontrollstellen würden die Arbeitsbedingungen in diesen Firmen «prioritär» unter die Lupe nehmen.

Eine Möglichkeit gibt es noch für ein friedliches Ende des Konflikts: ein Schiedsgericht. Anders als bei der Schlichtung verpflichten sich die Parteien, den Spruch des Schiedsgerichts zu akzeptieren. Die Gewerkschaften Unia und ­Syndicom haben nun Smood genau dies vorgeschlagen. Unia-Mann Künzler hofft auf eine positive Antwort. Sagt aber auch: «Bisher hat sich Smood nicht willens gezeigt, irgendetwas zu akzeptieren.»

Protesttag in Genf: Alle auf die Strasse!

Fertig mit der grenzenlosen Flexibilisierung, fertig mit den unbezahlten Wartezeiten, fertig mit Spesenentschädigungen, die diesen ­Namen nicht verdienen: Mit einem Protesttag in Genf wollen die ­Fahrerinnen und Fahrer von Smood ihre Anliegen auf die Strasse tragen. Auch Kurierinnen anderer Firmen und Sympathisanten sind aufgerufen mitzumachen.

Samstag, 5. Februar, 13.30 Uhr, Genf, Rue du Mont-Blanc.

 

Update, 7. Februar: Zwei Wochen nach dem Scheitern der Schlichtung hat die Genfer Schlichtungsbehörde CRCT am 7. Februar ihre Empfehlungen veröffentlicht. Und dabei zahlreiche Vorschläge der Fahrerinnen und Fahrer übernommen. Unter anderem empfiehlt die Behörde einen Mindest-Stundenlohn von 23 Franken, eine garantierte Mindestarbeitszeit von 17 Stunden pro Woche sowie die Bezahlung sämtlicher Arbeitsstunden inklusive Wartezeiten.

Die Unia begrüsst die Empfehlungen. Véronique Polito von der Unia-Geschäftsleitung: «Wir erwarten, dass Smood diese Punkte in der ganzen Schweiz sofort und vollumfänglich umsetzt.»

Bereits am 4. Februar hatte Smood einige Verbesserungen angekündigt, darunter eine Erhöhung des Stundenlohns auf 23 Franken sowie etwas höhere Spesen. Zu anderen Forderungen, etwa Mindestarbeits- und bezahlten Wartezeiten, äusserte sich Smood nicht. Auch auf den Vorschlag der Gewerkschaften, ein Schiedsgericht anzurufen, ist die Firma bisher nicht eingegangen.


Warum beissen die Gewerkschaften bei Smood auf Granit, Frau Polito?«Die Sturheit von Smood hat sich leider auch in der Schlichtung fortgesetzt»

Fünf Wochen haben sie gestreikt, dann hat der ­Kanton eingegriffen. Doch die Schlichtung schlug fehl (siehe oben). Von Véronique Polito, die für die Unia am Verhandlungstisch sass, wollte work wissen: Was war da los?

SCHWIERIGE VERHANDLUNG: Véronique Polito, Unia-Geschäftsleitungsmitglied. (Foto: Unia)

work: Woran genau ist die Schlich­tung mit Smood ge­scheitert?
Véronique Polito: Der Inhalt der ­Verhandlungen ist vertraulich. Aber schon vor der Schlichtung war es für die Fahrerinnen und Fahrer ­extrem schwierig, überhaupt mit Smood in Dialog zu treten. Und diese Sturheit von Smood hat sich leider auch in der Schlichtung fortgesetzt. Am Schluss war nicht einmal eine Minimal-Vereinbarung möglich, und die Behörde hat das Verfahren für gescheitert erklärt.

Noch während der Schlichtung entliess Smood drei Streikende – obwohl das Gesetz bis zum Abschluss Kampfmassnahmen untersagt. Was geschieht jetzt?
Die drei Betroffenen haben ihre Kündigung angefochten, und wir unterstützen sie dabei. Smood ­hat die Einschüchterungsmanöver während der Schlichtung fortgesetzt, das geht nicht! Einer der ­Entlassenen war sogar Delegierter der Fahrerinnen und Fahrer an der Schlichtungsverhandlung. Das kann man nicht anders verstehen, als dass Smood versucht hat, den Schlichtungsprozess zu destabilisieren.

Nach fünf Wochen Streik griff der Kanton Genf in den Arbeits­konflikt ein und verlangte eine Schlichtung. Hat das dem Protest geschadet?
Es war ein sehr langer Streik. Er hatte sogar historischen Charakter, weil sich zum ersten Mal Plattform-Mitarbeitende für ihre Rechte wehrten, und dies in der ganzen Romandie. Deshalb war es nicht falsch, dass der Kanton nach fünf Wochen Streik versuchte, die Parteien zu einer Lösung zu bewegen. Sehr oft führen solche Schlichtungen zu einem Resultat. Das Pro­blem: Sie funktionieren nur, wenn eine Firma auch bereit ist mitzumachen. Der Staat kann eine Einigung nicht erzwingen.

Uber, DPD, Smood: Immer wieder machen Lieferfirmen wegen ihrer miserablen Arbeitsbedingungen von sich reden. Was muss passieren, damit sich diese bessern?
Die Kantone müssen ihre Aufgaben machen und diese Firmen richtig kontrollieren. Bei Smood dreht sich der Konflikt, neben konkreten Verbesserungen, auch schlicht um die Anwendung des Arbeitsrechts. Die Kantone hätten die Möglichkeit, das Recht durchzusetzen. Doch sie tun das leider nicht. Sie dulden diese unhaltbaren Zustände seit Jahren – Uber ist das ­eklatanteste Beispiel. Einzige Ausnahme ist Genf, der Kanton spielt da eine Vorreiterrolle.


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