Menschenhandel zwecks Ausbeutung der Arbeitskraft und Zwangsarbeit

Hände einer Putzfrau und Helm und Hände eines Bauarbeiters

Die Unia setzt sich gegen den Menschenhandel zwecks Ausbeutung der Arbeitskraft und gegen Zwangsarbeit ein. Viele Frauen und Männer sind davon betroffen, auch in der Schweiz. Die Unia unterstützt die Opfer und fordert weitergehende Massnahmen zu ihrem Schutz.

Lesen Sie die Broschüre «Gewerkschaftliches Engagement gegen Menschenhandel» der Unia mit den wichtigsten Informationen rund um das Thema.

Menschenhandel zwecks Ausbeutung der Arbeitskraft und Zwangsarbeit betreffen insbesondere das Baugewerbe, die Hauswirtschaft, die Pflege, das Reinigungsgewerbe, das Gastgewerbe, die Hotellerie, die persönlichen Dienstleistungen und die Landwirtschaft.

Die Täter werben Menschen an oder handeln mit ihnen, um sie bei der Arbeit auszubeuten. Sie drohen den Opfern mit Gewalt oder wenden andere Formen von physischem oder psychischem Zwang an: Betrug, Täuschung, fehlende oder unangemessene Bezahlung, Isolation oder Ausnützen einer schutzlosen Lage.

Entgegen aller Klischees tragen die Opfer von Menschenhandel und Zwangsarbeit in der Schweiz keine Handschellen und sind meistens auch nicht eingesperrt. Manchmal können die Opfer ihre Ausweispapiere oder auch ihre Telefone behalten.

Undurchsichtige Ketten von Subunternehmern, die Angst der Opfer, die Beteiligung des organisierten Verbrechens begünstigen diese Form der Ausbeutung. Dazu kommt der Mangel an Sensibilisierung und Ausbildung, an angemessenen Kontrollen und systematischer Strafverfolgung durch die Behörden.

Die Unia setzt sich ein, damit Menschenhandel konsequent bekämpft wird. Dazu gehört die Sensibilisierung, und der Schutz von Opfern, Zeug:innen und Gewerkschaftssekretär:innen.

Wie erkennt man Menschenhandel und Zwangsarbeit?

Die Opfer des Menschenhandels werden von ihren Ausbeutern gezielt angeworben, in die Schweiz transportiert und hier untergebracht, um unter unzumutbaren Lebens-, Arbeits- und Lohnbedingungen zu arbeiten. Und die Opfer dieser Zwangsarbeit arbeiten gegen ihren Willen und unter Drohungen.

Die Indizien für Menschenhandel zwecks Ausbeutung der Arbeitskraft sind äusserst vielfältig. Dazu eine nicht abschliessende Liste mit Beispielen:

Vertragsverhältnis (Vertrag, Art der Arbeit, etc.)
  • Entspricht nicht dem, was versprochen oder offiziell deklariert wurde
  • Keine Freiheit, das Vertragsverhältnis aufzulösen
Arbeitsbedingungen (Risiken für die eigene Gesundheit, Sicherheit und Integrität ausgesetzt sein)
  • Übermässige und/oder unvorhersehbare Arbeitszeiten
  • Wenig oder keine Erholungszeit
  • Wenig oder keinen Zugang zu angemessener Hygiene oder medizinischer Versorgung
  • Wenig oder keine Informationen und/oder Schutzausrüstung
  • Überwachung von Bewegungen und sozialen Kontakten
Löhne
  • Extrem niedrig oder inexistent, ohne jegliches Verhältnis zu den Normen und Praktiken in der Branche
  • Entspricht nicht dem versprochenen oder offiziell deklarierten Lohn
  • Wird vom Arbeitgeber zurückgehalten oder muss ganz oder in grossen Teilen an diesen zurückgezahlt werden (Abzüge für Verpflegung, Unterkunft, Werkzeuge usw.)
Lebensbedingungen
  • Keine menschenwürdige Unterkunft; die/der Arbeitnehmende schläft bei ihren Kolleg:innen am Arbeitsplatz (beispielsweise auf der Baustelle oder in einem nahe gelegenen Schuppen) und verlässt diesen selten oder nie
  • Isolierung: wenig oder keine sozialen Kontakte, oft weder Kenntnisse der Landessprache noch der schweizerischen Rechtslage, Leben unter ständiger Bedrohung, den Behörden übergeben zu werden

Wie kann man sich wehren?

Es ist immer noch zu selten, dass diese Arbeiter:innen die Kraft finden, sich zu wehren. Oft halten die Ausbeuter sie in Abhängigkeit, etwa wenn sie überrissene Schulden abbezahlen müssen. Vielen wurden falsche Versprechen über ihren Job, die Arbeitsbedingungen und ihr Gehalt in der Schweiz gemacht.

Sie haben Angst, über ihre Situation zu sprechen oder Anzeige zu erstatten, da sie Repressalien fürchten und auch aus Misstrauen gegenüber den Behörden schweigen. Dass viele der Ausgebeuteten keine Papiere haben und von Ausschaffung bedroht sind, erschwert ihre Lage noch.

Die Unia ist regelmässig mit Menschenhandel, Zwangsarbeit und anderen schwerwiegenden Missbräuchen von Schutzbedürftigen am Arbeitsplatz konfrontiert. Betroffene oder Zeug:innen können sich an das nächstgelegene Unia-Sekretariat wenden.


Verschiedene Organisationen haben sich zur Schweizer Plattform gegen Menschenhandel zusammengeschlossen. Diese bietet Helplines für Betroffene an. Auch wenn Sie eine Situation beobachten, wo Sie Menschenhandel vermuten, können Sie sich an diese Helplines wenden.

Deutsch

  • Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ) 044 436 90 00 - Mitglied der Schweizer Plattform gegen Menschenhandel
  • Hotline ACT212 0840 212 212 (Beratungs- und Schulungszentrum Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung, antwortet auch auf Französisch, Italienisch und Englisch)

Französisch

  • ASTRÉE 021 544 27 97 - Mitglied der Schweizer Plattform gegen Menschenhandel
  • CSP Genève 022 807 07 00 - Mitglied der Schweizer Plattform gegen Menschenhandel

Italienisch

  • Antenna MayDay 0800 123 321 - Mitglied der Schweizer Plattform gegen Menschenhandel)

Schauen wir hin!

Um Menschenhandel und Zwangsarbeit zu bekämpfen, ist das Aufdecken von Fällen elementar. Es erfordert nicht nur eine effektive Ausbildung und das Engagement aller Beteiligten in der Arbeitswelt – in erster Linie der Arbeitnehmer:innen und Gewerkschafter:innen – sondern auch der Strafverfolgungsbehörden und weiterer staatlichen Stellen.

Was sich dringend ändern muss

Die Angst muss die Seite wechseln. Alle Opfer von Menschenhandel müssen schnell, effizient und langfristig Zugang zu effektiver Beratung und Unterstützung haben. Eine doppelte Bestrafung, etwa durch Ausschaffung, darf nicht toleriert werden: Der Schutz der Arbeitnehmer:innen und die Achtung ihrer Menschenrechte müssen Vorrang vor dem Ausländerrecht haben.

Drehen wir die Rollen nicht um: Arbeitnehmer:innen, die Opfer von Menschenhandel zwecks Ausbeutung der Arbeitskraft sind, sind keine Straftäter:innen. Es sind die Ausbeuter, die sanktioniert werden müssen.

Deshalb fordert die Unia

  • Eine umfassende Sensibilisierung aller relevanten Akteure (Arbeitgeber, Bund, Kantone, Polizei, Justiz)
  • den wirksamen Schutz von Opfern und Zeug:innen ab dem Moment des ersten Verdachts, während der Ermittlungen, während und nach dem Strafverfahren, in der ganzen Schweiz und ohne Ausnahme;
  • konkrete und spezifische Massnahmen zur frühzeitigen Erkennung, Information in einer für sie verständlichen Sprache und angemessener Schutz für alle potenzielle Opfer von Menschenhandel, einschliesslich die in die im Asylbewerbungsprozess sind oder sich in Zentren für die Ausschaffungshaft aufhalten;
  • die Stärkung der Instrumente der Strafverfolgung.