Zweieinhalb Monate vor dem Anpfiff der Fussball-Weltmeisterschaft:

WM-Gastgeber Katar verhaftet Bau-Büezer

Anne-Sophie Zbinden

Über ein halbes Jahr mussten rund sechzig Bauarbeiter ohne Lohn chrampfen. Als sie sich dagegen wehrten, liess WM-Gastgeber  sie verhaften.

SCHÖNER SCHEIN: Katar glänzt mit seiner prächtigen WM-Kulisse, nicht aber mit Arbeiterrechten. (FOTO: KEYSTONE)

Internationale Gewerkschaften machen schon seit Jahren Druck.

Noch 80 Tage bis zum Anpfiff der WM am 20. November in Katar. Die ganze Welt wird ihren Blick dann auf den Wüstenstaat richten. Und nebst den fussballerischen Leistungen die futuristischen Stadien und luxuriösen Hotels bestaunen. Umso fragwürdiger, was die Regierung in der Hauptstadt Doha so kurz vor dem Cup tut: sie lässt fast sechzig protestierende Arbeitsmigranten verhaften, einige sogar ausser Land schaffen. Ihr «Verbrechen»: Die Bauarbeiter haben dagegen protestiert, dass sie zum Teil seit über sieben Monaten keinen Lohn erhalten haben. Ambet Yousef, Generalsekretär der Internationalen Bau- und Holzgewerkschaft (BHI), sagt zu work: «Das Unternehmen hat sich nicht an die Arbeitsgesetze gehalten. Aber anstatt gegen das missbräuchliche Unternehmen vorzugehen, ist Katar gegen die protestierenden Arbeiter vorgegangen. Dabei ist es ein Grundrecht der Arbeitnehmenden, sich zu beschweren, wenn ihre Löhne ­monatelang nicht gezahlt ­werden.» Die Regierung hat zwar angekündigt, die ausstehenden Saläre zu zahlen. Ob das geschehen ist, bleibt unklar.

SCHLUPFLÖCHER

Die Proteste der Bauarbeiter richteten sich gegen den Baukonzern Al Bandary International Group und ihre Tochterfirma Electrowatt. Beide Firmen waren zwar nicht am Bau der WM-Stadien beteiligt. Die Verhaftungen und Ausschaffungen werfen aber ein grelles Licht auf die Arbeitsbedingungen vieler Migrantinnen und Migranten. Denn es sind ausschliesslich sie, die Katar gebaut haben und noch immer bauen. Von den 2,7 Millionen Menschen, die im Land leben, sind nur gerade rund 300 000 Staatsangehörige. Die anderen sind Arbeitsmigrantinnen und -migranten, meist aus Indien, Nepal, Bangladesh oder Pakistan. Und diese arbeiten häufig unter haarsträubenden Zuständen: beschlagnahmte Pässe, desolate Unterkünfte, tödliche Hitze. Wenigstens wurden die Arbeitsbedingungen auf den WM-­Baustellen auf Druck der Gewerkschaften verbessert.

Rita Schiavi, Unia-Delegierte beim BHI, sagt: «Für die 40 000 Arbeiter, die die WM-Stadien gebaut haben, wurden insbesondere bei der Arbeitssicherheit, beim Gesundheitsschutz und bei den Unterkünften grosse Fortschritte erzielt. Statt in Massenschlägen schlafen sie jetzt in 4-Bett-Zimmern.» Auch beim Hitze-Management habe die Regierung vorwärtsgemacht. Für Gewerkschafterin Schiavi ist klar: die neuen Arbeitsgesetze in Katar sind trotz Schlupflöchern eigentlich nicht schlecht. Obwohl Gewerkschaften noch immer verboten sind.

WM-HOTELS

Doch ausser auf den WM-Baustellen werden sie noch viel zu wenig umgesetzt, missbräuchliche Firmen werden zu wenig bestraft. Schiavi: «Deshalb ist es wichtig, dass der Druck auf die Regierung bestehen bleibt. Und dass es endlich ein so­genanntes Worker Center gibt, ein Zentrum für mi­grantische Arbeiterinnen und Arbeiter, in dem sie sich ohne Angst vernetzen und informieren können.»

Fortschritte gibt es bei den rund 60 für die WM ­akkreditierten Hotels. Dort konnten die Gewerkschaften einige Unterkünfte inspizieren. Schiavi: «Meistens sind das 2-Bett-Zimmer.» Und: In den WM-Hotels dürfen die Mitarbeitenden jetzt sogar Betriebskommissionen bilden. Ein Quantensprung!

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