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Whiskyflasche Hammerhead in Premiumverpackung | © RATHGEBER GmbH & Co. KG
Der Experte
Sebastian Haupt

Im Gespräch mit dem Konsumentenpsychologen, Marketingberater beim Multisense-Institut

Multisense-Institut

„Der Tastsinn ist unser Wahrheitssinn“ 

Hochwertige Verpackungen und Kennzeichnungslösungen können den Verkaufserfolg von Produkten signifikant beeinflussen. Welche Rolle dabei die Haptik spielt, warum wir Dinge anfassen wollen und was am Ende die Kaufentscheidung beeinflusst, das erklärt Sebastian Haupt im Interview mit SIGNATURE. Haupt ist Konsumentenpsychologe, Marketingberater beim Multisense-Institut und Buchautor. Er setzt theoretische Erkenntnisse in die Praxis um und weiß, wie sich durch die Entwicklung richtiger Strategien dauerhafter Erfolg einstellen kann. 

In Ihrem Buch „Touch!“, das Sie zusammen mit Olaf Hartmann verfasst haben, beschreiben Sie, wie stark haptische Effekte im Marketing wirken können. Was ist dabei Ihre wichtigste Erkenntnis? 

Wir Menschen haben uns evolutionär dahin entwickelt, dass wir Dinge, die uns ansprechen, berühren wollen. Das kann man schon bei Kleinkindern beobachten, aber auch Erwachsene nehmen Produkte gerne in die Hand, wenn sie eine gewisse Wertigkeit ausstrahlen. Olaf Hartmann und ich haben das ARIVA-Modell entwickelt, das aufzeigt, wie sich die Verkaufschancen von Produkten über Attention, Recall, Integrity, Value und Action – also Aufmerksamkeit, Erinnerung, Vertrauenswürdigkeit, Wertschätzung und Kaufbereitschaft – deutlich erhöhen lassen. 

Heißt das einfach formuliert, dass sich Produkte mit hochwertigen Logos oder einer Verpackung mit haptischen Elementen besser verkaufen als andere? 

Man kann auf jeden Fall mit der sensorischen Gestaltung von Verpackungen oder Logos eine ganze Menge erreichen. Wichtig im Kaufprozess ist, dass in uns das Bedürfnis geweckt wird, ein Produkt in die Hand zu nehmen, weil wir dann auch dazu neigen, es besitzen zu wollen. Und selbst wenn wir es nicht gleich kaufen, steigert das die Bereitschaft, dafür gutes Geld auszugeben. Zudem belegen Studien, dass wir uns deutlich besser an Produkte erinnern können, die wir schon einmal berührt und mit denen wir schon interagiert haben.  

Was konkret sind die Gründe, ob ich ein Produkt anfassen will oder liegen lasse? 

Natürlich muss das Produkt von Relevanz für mich sein.  Wenn ich zum Beispiel auf der Suche nach einem guten Parfum bin, dann ist die Wahrscheinlichkeit schon mal per se groß, dass ich diese Produkte auch aus dem Regal nehme. Wenn die Verpackung oder der Flakon haptisch veredelt sind, dann macht das neugierig, dann will ich mich damit befassen. Oder ich möchte einen edlen Wein als Geschenk kaufen. Wenn die Flasche mit luxuriös anmutenden haptischen Elementen veredelt ist und es dazu noch eine Karton-Box gibt, die sich ebenfalls edel anfühlt und wertig gestaltet ist, dann sagt mir mein Bauchgefühl sofort: „Dieser Wein wird edel schmecken. Ich habe das perfekte Geschenk gefunden“. Forscher bezeichnen den Tastsinn nicht ohne Grund als Wahrheitssinn.

Dann müssten ja eigentlich alle Produkte hochwertig verpackt sein. 

Eine Tafel Schokolade im Sonderangebot eher nicht. Aber ein gutes kosmetisches Produkt, ein Luxusartikel oder ein hochpreisiges Smartphone dagegen schon. Wenn über die Verpackung einerseits eine gewisse Wertigkeit transportiert wird, andererseits aber auch kauftreibende Assoziationen geweckt werden, dann schafft das von Beginn an Vertrauen. Hochwertige Produkte verdienen es, auch hochwertig verpackt zu sein. 

"Hochwertige Produkte verdienen es, auch hochwertig verpackt zu sein."

Bestimmte Smartphones sind ja sogar so hochwertig verpackt, dass man sich gar nicht traut, die Verpackung wegzuwerfen. 

Im Idealfall kann die Verpackung sogar zu einem Dekorationsgegenstand werden. Aber es gibt gerade im Elektronikbereich auch andere Beispiele: Manchmal sind technisch hochwertige Geräte völlig lieblos verpackt. Da fragt man sich dann unbewusst: ist das Produkt überhaupt das viele Geld wert, das es gekostet hat? 

Wenn ich mir als Hersteller Gedanken über die Verpackung oder Gestaltung meiner Produkte mache: worauf muss ich dann achten? 

Wichtig ist in erster Linie, dass die Verpackung immer kongruent zum Produkt und Nutzenversprechen gestaltet wird. Eine professionelle Beratung hilft in jedem Fall dabei, Fehler zu vermeiden. Reliefartige, strukturierte Oberflächen – da ist sich wissenschaftliche Forschung einig – berühren Menschen am liebsten. Das bedeutet jedoch nicht, dass geprägte Verpackungen zwingend die Verkaufschancen steigern. Eine Creme zum Beispiel soll die Haut glätten – und dafür wäre eine Prägung das falsche Signal. Eine systematische Beratung sorgt dafür, wissenschaftliche Erkenntnisse möglichst optimal in die Praxis zu übertragen. 

Welche Beispiele fallen Ihnen auf, in denen das nicht gelingt? 

Wir beobachten oft, dass Hersteller schon ganz konkrete Vorstellungen haben. Dabei empfehlen wir, niemals den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen. Am Anfang stehen immer die Fragen: Was will der Konsument? Wie ist die Marke positioniert? Und was ist das Produktversprechen? Das übersetzen wir dann in sensorische Codes, wobei nicht nur die Haptik, sondern auch zum Beispiel die visuelle und farbliche Gestaltung eine Rolle spielen. Je kongruenter alle sensorischen Signale, desto höher ist die Gehirnaktivität bei potenziellen Käufern. 

Können Sie quantifizieren, wie stark sich Verkaufschancen steigern lassen, wenn alle Faktoren perfekt zueinander passen? 

Was Forscher immer untersuchen, sind signifikante Unterschiede. Man kann mit Sicherheit sagen, dass die Kaufwahrscheinlichkeit steigt – aber nicht pauschal um wie viel. Im Zeitschriftenbereich gab es Untersuchungen, was Ad-Specials im Überformat bewirken, und man hat festgestellt, dass das ungestützte Erinnerungsvermögen potenzieller Käufer am Kiosk um 40 Prozent höher war. Allerdings führen derartige Erkenntnisse dazu, dass plötzlich fast alle Zeitschriften mit solchen Extras ausgestattet werden. Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, zielgerichtet zu agieren. Mit einer systematischen Analyse und Konzipierung – das ist unsere Erfahrung – werden Produzenten schnell merken, dass sich die Investition in hochwertige Verpackungen und Logos lohnt.  

Viele Produkte allerdings kaufen wir mittlerweile online, haben also gar nicht die Chance, mit ihnen vorher „in Berührung“ zu kommen. 

Die Herausforderung im Online-Handel ist natürlich eine andere. Während es im stationären Handel darauf ankommt, den Kaufanreiz zu setzen, ist es beim Kauf im Internet gleichwohl entscheidend, dass Kunden das Produkt nicht zurückschicken. Auf Online-Plattformen muss ich über die visuelle Darstellung zum Kauf anregen. Unser Gehirn simuliert mental, was wir sehen, wir können uns also sehr gut vorstellen, wie sich etwas anfühlt. Aber genau diese Erwartung darf am Ende nicht enttäuscht werden, wenn ich das Produkt zu Hause auspacke.  

Und was empfehlen Sie Produzenten, denen das Thema Nachhaltigkeit wichtig ist? 

Immer mehr Menschen achten darauf, verantwortungsvoll zu leben. Deswegen ist Nachhaltigkeit insbesondere im alltäglichen Konsumgüterbereich wichtig. Produkte und Verpackungen lassen sich ja auch mit natürlichen Materialien aufwerten. Hersteller sollten klar kommunizieren, welche nachhaltigen Materialien sie verwenden, oder welche Rolle das Thema Recycling dabei spielt. Bei einer Luxusuhr treten solche Faktoren dagegen eher in den Hintergrund. Wenn es zum Produkt passt, ist es natürlich super, wenn man die Karte Nachhaltigkeit spielen kann. Aber auch hier gilt: Nur bei Kongruenz aller sensorischer Signale, werden sich positive Effekte einstellen. 

Herr Haupt, wir bedanken uns für Ihre Zeit und dieses interessante Gespräch.